Einleitung
Portugal ist nicht das
Heimatland weltbekannter Schriftmeister. Gelegen am äußersten Rand
von Europa, hat es die meiste Zeit eine periphere Rolle in der Entwicklung von
Schriften gespielt.
Allerdings gab es da Ausnahmen: Immer wenn Portugal einen
historischen Höhepunt erlangte, haben nicht nur die Architektur und die
Künste wunderbare Zeugnisse zustande gebracht, sondern auch die
Schriftmeister entwickelten Dokumente, die keinen Vergleich mit den weltbesten
scheuten.
Dies geschah in der westgotischen Zeit, in der manuelinische
Epoche der großen Seefahrten, in der Reformzeit des Marquis de Pombal, im
Barock von Johann V.
Zwischendurch
blühten einzelne Beispiele von Könnerschaft auf: die
Kalligraphielehre von Andrade, die witzigen Illustrationen des Zeichners und
Verlegers Columbano Bordallo Pinheiro, die Illustrierten und Poster von Stuart
Carvalhais, die Grafiker der Art-Déco-Zeit, die sich bis in die 1950er
ausdehnte.
Mangels Maschinen, mangels Typenguß und anderer
industriellen Merkmalen der Typografie war es für die begabten Portugiesen
immer wieder nötig, das Handwerkliche zu perfektionieren. Das tat man mit
handgezeichneten und handgemalten Schildern, Litografien, Azulejos und anderen
Trägern. Diese Perfektion wurde sogar auf andere Länder
übertragen, wie zum Beispiel nach Brasilien.
Noch heute treffen wir
portugiesische Illustratoren, die bezaubernde Schriften von Hand zeichnen
können.
Von den Zeitgenössischen wollen wir Fachleute wie
Jorge Silva oder Dino dos Santos nicht vergessen; sie beleben die
kleine, aber feine Grafikszene Portugals mit herausragenden Arbeiten.
Die meisten Schriften, die in diesem Buch gezeigt und kurz
kommentiert werden, stammen aus Portugal.
Aus den frühen Zeiten, in denen es noch kein Portugal
gab, werden Schriften gezeigt, die auch aus Spanien stammen für die
Römer war dies sowieso eine Verwaltungseinheit. Auch für die
Westgoten, welche die Iberische Halbinsel beherrscht haben.
Die Muslime brachten
wichtige Kulturbeiträge in die Iberische Halbinsel und die Juden hatten
ohnehin ihren eigenen Religions- und Kulturbereich.
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Wie ist dieses Buch entstanden?
Jorge Silva hat 2016
in einem Interview für die Zeitschrift Slanted behauptet, daß
es in Portugal wenig Interesse für unsere wichtigen Profis gibt, für
diejenigen, die uns herausragende Arbeiten hinterlassen haben.
So begann er, Biografien und Arbeitszeugnisse über
wichtige Grafiker aus Portugal zu publizieren die Reihe D.
Er war der allererste, der so etwas überhaupt gemacht hat.
Vor etwa 19 Jahren begann meine intensive Forschung
über Typografie.
Viele Themen wurden durch eine genaue und umfassende
historische Untersuchung erforscht. Oft kam am Ende dieser Recherchen ein Font
heraus; damit konnte ich alles zusammenfassen, was ich gelernt hatte.
So entstanden Fonts aus der manuelinischen Zeit, aus den
Inkunabeln, aus der Renaissance und aus der Moderne.
Da ich oft
nicht-typografische Schriftstile untersucht habe, kamen auch eine Reihe von
ungewöhnlichen Fonts heraus. Zum Beispiel Stencilschriften,
Art-Déco-Alphabete, Elementar-Alphabete. Die meisten dieser Digitalisate
werden inzwischen zum Verkauf auf www.tipografos.net angeboten.
Dieses Buch beschreibt diese Fonts nur am Rande. Mein
Hauptziel war die Wiedergabe eines grafischen Universums, welches, so hoffe
ich, bald auf mehr Interesse stossen wird.
Im Gebiet, welches
heute Portugal heißt, blühten mehrere Weltkulturschriften: die
römischen, die arabischen und die jüdischen.
Aber erst in den letzten Jahren beginnt man zu verstehen,
welche kulturelle Entfaltung dies bedeutet... |